Für das Schreiben des Beitrags über das Radfahren in Teil 3 habe ich mir ja etwas Zeit genommen und für den Marathon auf Hawaii habe ich mir auch Zeit genommen… viel Zeit. Und ich meine den Marathon, das Laufen, und nicht das Schreiben des Beitrags (dafür aber auch). Lest selbst.

Patrick und das Laufen

Freue ich mich eigentlich auf das Laufen beim Triathlon?

Nun ja, mal so mal so!

Ich weiß, dass es irgendwann so richtig weh tut. Bei kurzen Strecken brennt die Lunge und das Herz springt fast aus der Brust. Dann denke ich: „lieber längere Sachen, die brennen nicht so, da musst du nur durchhalten!“ Bei langen Strecken schmerzen irgendwann die Beine, die Hüfte… ach einfach vieles… und da denke ich mir: „lieber kurze Sachen, da musst du nur mal kurz durchleiden und fertig!“

Aber es ist auch ein glückbringendes (gibt es dieses Wort?!) Gefühl, wenn man weiß, dass man hier eher zu den schnelleren gehört, wenn man auf einer Mission ist und Platz um Platz gutmacht. Das motiviert!

Und dann gibt es noch das Gefühl, dass man gleich etwas großartiges geschafft hat!

In Hamburg bin ich mit den letzten beiden Gefühlen in den Marathon gestartet. Ich hatte richtig Bock! Aber mit Rücksicht auf Fakt 1, habe ich mir immer gesagt: „mach langsam!“, aber die Beine wurden immer wieder von allein schneller.

Auf Hawaii wusste ich schon beim Radfahren, dass es heute eher langsamer und anstrengender wird. Auch weil seit dem Dienstag der Rennwoche das Laufen irgendie sehr mäßig lief. Alles anstrengender als es sein sollte. Wenig Luft, erhöhter Puls… Die Vorfreude war begrenzt, aber nicht bei Null (!), denn die Atmosphäre und das Wissen hier bei etwas epischen dabei zu sein motiviert ohne Ende.

Die Laufstrecke

Was muss man über die Laufstrecke wissen?

  • Man startet am Pier in Kailua-Kona
  • Es gibt nur eine Wechselzone – vom Schwimmen zum Radfahren und vom Radfahren zum Schwimmen ist alles an einem Ort
  • Die Laufstrecke ist nicht bergig aber man sammelt knapp 300hm über 42,2km an
  • Das Laufen auf dem Ali’i Drive, dem Queen K Highway und dem Energy Lab sind ikonisch
  • Man läuft erst doch ganz schön lange in Kona auf dem Ali’i Drive, bevor es dann die Palani Road hoch geht (!), um dort auf den Queen K abzubiegen
  • Der Ali’i Drive ist eine Straße welche gen Süd-Westen am Pazifikufer und Hotels entlang geht
  • Hier gibt es ab und an sogar Schatten – dafür aber hohe Luftfeuchtigkeit und wenig Wind
  • Doch vorher geht es einen Bogen über den Kuakini Highway
  • Die Palani Road ist ein nicht zu unterschätzender Anstieg (eventuell grob mit dem Klünderberg in Binz beim IM70.3 Rügen zu vergleichen)
  • Auf dem Queen K ist es sehr wellig, sehr heiß, es gibt keinen Schatten und vorallem geht es sehr sehr lange gerade aus
  • Man sieht die nächste Kuppe und denkt sich, da geht es gleich links weg zum Energy Lab, doch dann kommt am „Horizont“ die nächste Kuppe
  • Es zieht sich!
  • Im Training ist es runter zum Energy Lab Spaß pur und hoch ganz schön anstrengend
  • Im Rennen ist es runter zum Energy Lab etwas entspannter, aber hoch höllisch
  • Im Energy Lab ist die Special Needs Aid Station
  • Es wird früh dunkel und wenn man einen miesen Tag erwischt, muss man sich doch Gedanken zum „Daylight Finish“ machen
  • Der Weg zurück nach Kona ist immer noch wellig, mit einem Anstieg am Ende und danach Downhill, einem Schlencker über den Kuakini Highway, Ali’i Drive und ab ins Ziel
  • Da man die ganze Zeit an den Highway und das Energy Lab denkt, kommt einem die Strecke kurzweilig vor (kann aber auch damit zusammenhängen, dass ich sonst in Rennen immer Runden laufen musste)

Aus der Wechselzone

Kurz vor der Wechselzone begrüßte mich noch auf dem Rad ein Krampf, in der Wechselzone dachte ich erst „Auweia“, beim Verlassen der Wechselzone dachte mir dann aber „geht doch eigentlich!“. Passenderweise standen auch Fabienne und Niklas direkt am Ausgang der Wechselzone.

Mit Niklas hatte ich mich ja noch vor dem Rennen unterhalten und ihm gesagt, dass ich am meisten vor zu hartem Anlauf fürchte, denn einmal etwas drüber und man hat hier auf Hawaii den ganzen Tag noch etwas davon. Den Puls kriegt man nicht mehr runter. Das habe ich aber Dienstag vor dem Rennen ziemlich spüren dürfen… und hatte seit dem durchgängig etwas davon.

Die beiden zu sehen (Steffi und Tobi habe ich nicht wahrgenommen, Tobi war wohl in einer guten Location zum Fotografieren – siehe Foto) hat mir erst einmal einen ordentlich Schub gegeben und ich bin dann doch etwas flotter und mit bester Laune aus der Wechselzone gekommen. Kurz dadrauf ging es aber leicht bergan und ich habe etwas spät rausgenommen. Beim Einbiegen auf den Kuakini Highway dachte ich mir „okay, jetzt erstmal runter vom Gas, den Puls runterbringen!“

Kuakini Highway und Ali’i Drive

Den Puls runterbringen – das war meine Aufgabe und das habe ich den ganzen Kuakini Highway und Ali’i Drive über probiert. Etwas Tempo raus, etwas mehr Tempo raus. Atemübungen. Doch es wollte nicht klappen und der Ali’i Drive macht es einem nicht einfach. Hier ist es – danke des Ozeans – ziemlich feucht und es geht kein Wind.

Doch bevor man auf den Ali’i Drive kommt, geht es ja erst einmal über die Palani Rd hoch zum Kuakini Highway, dann etwas gen Osten um dann am Farmers Market entlang runter zum Ali’i Drive zu laufen. Diese Passage kriegt man so im TV gar nicht mit. Oder ich habe es jedenfalls nie mitgekriegt. Ich hatte immer direkt den Ali’i Drive im Kopf.

Wenn ich nun im Nachgang auf das Höhenprofil schaue, würde ich die Karte anders lesen und das Rennen anders angehen. Gerade die paar Höhenmeter am Anfang der Laufstrecke (die ersten Huckel sind vom Pier hoch zum Kuakini, über den Kuakini, runter zum Ali’i Drive und dann etwas gen Süden auf dem Ali’i Drive) können einen schon für den Rest des Tages fertig machen. Vor allem, wenn man schon etwas angezählt vom Rad kommt. Hier kann man getrost deutlich langsamer einsteigen als gewohnt. So zwei Kilometer vor dem Wendepunkt auf dem Ali’i Drive könnte man dann in den Rhythmus kommen. Erst zum Ende des Ali’i Drives wird es wieder wellig. Und dann richtig steil – die Palani Road.

Doch alles der Reihe nach. Bei mir lief es dann doch anders 😉

Den welligen Beginn bin ich dann fast im normalen Tempo gelaufen. Immer mit einem Blick auf den Stryd (Powermeter für das Laufen), wie fühlen sie die Leistungsziele an? Joa, und wie gesagt, war das am Anfang dann doch zu schnell und ich war direkt damit beschäftigt den Puls herunter zu bekommen. Auf dem Ali’i Drive bin ich dann gern mal ein Stück weiter rechts von der Laufstrecke gelaufen um ein paar Centimeter Schatten abzubekommen. Half nicht! Das Tempo hatte ich schon deutlich reduziert. Etwas, dass ich im Training gar nicht mehr hingekriegt habe (das könnte eventuell ein Fehler gewesen sein). Der Puls war ungefähr auf der Höhe einer Mitteldistanz bei Renntempo, das Tempo aber eher am unteren  Ende eines lockeren Laufs. Irgendwas passt hier doch nicht. Halte ich den Puls durch? Atmung ist auch sehr angestrengt. Immer wieder werde ich überholt. Ein ungewohntes Gefühl. Wenn schon Desaster, dann richtig und dann habe ich eine Entscheidung gefällt. Ich ging. Es war gerade etwas Schatten. Der Puls musste runter. Nach dem Ende des Schattens bin ich wieder angelaufen. Doch 20 Sekunden später war der Puls wieder hoch. Ich joggte. Bis zur nächsten Verpflegungsstation und ging. Ich schnappe mir Wasser, Schwämme, Cola, Iso. Das ganze Buffet. Nach der Station lief ich wieder an. Der Puls schoss wieder in die Höhe. Ich ging.

Im Kopf machte ich mir Gedanken. Die Freunde zuhause gucken auf den Ticker. Sie sehen das ich Probleme habe. Die Zeiten sind langsam, aber sollten noch nach Laufen oder Joggen hinweisen. Ich hatte schon die Diskussionen vor meinem inneren Augen „Jetzt bricht er zusammen!“, „Das wird wohl nichts!“, „Na, hat er überzockt?“. Ich lief wieder los. Das trieb mich an. Aber der Puls ging wieder hoch, die Atmung wurde schwer, ich bekam wenig Luft. Ich ging. Mein Kopf schlug um und meine Motivation wurde eine andere. Eine gute Leistung motiviert richtig in den Schmerz zu gehen, eine schlechte Leistung motiviert dazu überhaupt nicht. Aber einen richtig, richtig schlechten Tag zu Ende zu bringen, sich durchzubeißen und auf das Finish stolz zu sein. Das Motiviert dann wieder. Damit war mein Marschplan im Kopf klar. Es kann ruhig jeder sehen, dass du Probleme hast, dass der Tag nicht so läuft wie geplant. Sie sollen aber auch wissen, dass ich nicht dadran denke aufzugeben.

Aufgeben wäre an dieser Stelle „logistisch“ günstig. Man wäre wieder am nah am Event-Gelände. Könnte hier einfach abbiegen. Jetzt noch rauslaufen – und wieder zurück – dass wird ganz schön lange dauern. Und wenn man draußen aufgibt, dann hat man einen langen Weg zurück. Aber es wird nicht aufgegeben. Jetzt kann man auf einer anderen Art zeigen, dass man etwas besonderes ist. Und außerdem: ob man aufgegeben vom nördlichsten Punkt zurückgeht oder noch mit der Startnummer um… man hat in beiden Szenarien die gleiche Strecke vor sich. Nur das Ende ist ein anderes 😉

Ich war nun im Kopf mit mir im Reinen. Keine Enttäuschung, sondern eine neue Mission und „on a mission“ funktioniere ich. Mein Plan lautete: gehen wenn nötig, aber auf jeden Fall ein Finish. Genug Zeit hast du! Selbst ein mises Rennen auf Hawaii ist immer noch ein Finish auf Hawaii… und das hat nicht jeder! Ich stellte mir vor, dass ich an der Palani Road die Support Crew treffe. Ich würde ihnen sagen, dass sie sich Schatten und was zu Trinken und Futtern suchen sollen, denn es wird noch sehr, sehr lange dauern. Der Hummor bei der Sache schwinkt hoffentlich durch. 😉 Niklas hätte in die Tri-Speedys-Gruppe eine Botschaft schicken sollen: „Patrick geht, hat aber gute Laune und bringt es auf jeden Fall zu ende!“

Immer wieder sah man auch andere Athleten gehen und welche, die einem zuriefen: „Let’s got – fight! no walking“. Ich lief immer mal für ein paar Meter an und ging sofort wieder ein. Hartes Brot. Innerlich lachend sage ich mir „das wird verdammt lang“ und musste grinsen.

An den Verpflegungsstationen nahm ich mir weiterhin sehr viel Zeit… und das ganze Buffet. Irgendwann nahm ich dann einmal extra viele Eiswürfel. Alles in den Rennanzug. Er war vorne und hinten gefüllt. Das Laufen ging dann wieder einigermaßen, der Puls blieb länger unten bzw. stieg nicht so rasant an. Es klimpert in der Klamotten. Die Eiswürfel schmolzen vor sich her und glitten dabei durch den Anzug nach unten. An jeder Stelle 😉 Geil, ich kann wieder einigermaßen laufen, das funktioniert! Doch dann meldet sich der Magen. Das herzhafte Zugreifen bei Cola und Iso hat den Magen doch etwas beschäftigt. Also doch wieder gehen und ab und an Laufen. Wie gewonnen, so zerronnen. Bei den nächsten Verpflegungsstellen lies ich dann Coke und Iso weg. Nur Wasser. Und Eiswürfel! Ich habe sie selbst unter die Mütze gepackt. Das war dann doch aber zu heftig. Es fühlte sich so an, als ob das Gehirn wegfriert… für ca. 12 Sekunden 😉

Mit den Eiswürfeln im Anzug ging es dann wieder halbwegs zu Joggen. Ich hatte ja zwischenzeitig dadrauf geschielt, dass es immerhin noch ein 5er Schnitt werden könnte. Aber so langsam war es eher 5:30. Tendenz fallend. Aber nun konnte wieder gejoggt werden. Auf geht’s!

Palani Road

Auch wenn die letzten Meter mit Joggen gang zu gingen. Anstiege geht man langsamer an! Und was ist langsamer als Joggen? Gehen! Und damit ist man auf der Palani Road auch nicht einsam. Gerade der Powermeter zeigt, wie hoch der energitsche Aufwand an Anstiegen doch ist. Sehr hoch! Gefühlt ist das beim Laufen krasser als auf dem Rad.

Die Palani Road braucht beim Hochgehen doch etwas Zeit. Ich hielt die ganze Zeit ausschau nach Fabi, Niklas, Steffi und Tobi. Da Fabi! Nein, nur ein ähnliches Cap. Da? Nein! Leider, hatten die vier es nicht hierher geschafft. Damit war die letzte Chance bekannte Gesichter vor der großen Einsamkeit zusehen dahin. Gern hätte ich meine Botschaft an alle zuhause übergeben und ihnen gesagt wie es mir geht und dass ich auf jeden Fall weitermache. Ich hätte sogar das erste Mal in einem Rennen angehalten und umarmt und witze gemacht 😀

Also ging es ohne letzte Umarmung auf den langen, heißen und einsamen Highway…

Queen K Highway

Man hört ja oft davon, dass das Rennen auf Hawaii von Einsamkeit geprägt ist. Immer wieder habe ich überlegt, was das bedeuten könnte. Man ist ja da nicht, um sich zu unterhalten. Der Queen K hat mir gezeigt was das bedeutet. Gerade wenn man geht, kommt einem alles sehr lange vor. Okay, es dauert ja auch länger. Obwohl dieses „Lange“ ein anderes „Lange“ als bei einem Rennen, dass läuft, ist. Es ist eher lang von langweilig oder von „puh, dauert das lange“.. Nicht von „es tut alles weh, wann ist es endlich vorbei?“.

Der Queen K ist wunderbar wellig. Es laufen, gehen, kreuchen neben einen andere Athleten. Zu Beginn kommen ein nur die Profis entgegen. Ich sah Andi Dreitz, Lionel Sanders. Beeindruckend war Daniela Ryff. Absolut fokussierter Blick. Kopf unter der großen Kappe versteckt. Danach kam lange nichts. Dann Anne Haug. Anne Haug auf drei? Jawohl, sehr geil. Ich joggt ihr entgegen. Klatschte. Und blickte in ein Kamera-Motorrad. Lustiger Weise haben Saskia und Sinja zuhause genau diese Stelle gesehen und mich erkannt. 🙂 Dank moderner Technik kann man ja zurückspulen und mit dem Handy die Szene abfilmen und dann per WhatsApp zuschicken. Vielen Dank! Und gut, dass ich da gerade am Joggen war 😉

Doch wie war das mit der Einsamkeit? Es ist mehr so ein „es nimmt kein Ende“. Ein unaufhörliches welliges gerade aus. Man guckt bis zur Kuppe der nächsten Welle, sieht ein paar Triathleten, klein, laufend und denkt sich: „danach geht es runter und dann biegt man schon links ab!“. Pustekuchen, es kommt die nächste Welle. Es gibt keine Zuschauermassen, die diese Monotomie unterbrechen. Unentwegt Asphalt und Hitze. Immer wieder muss ich gehen. In den Verpflegungsstellen, aber auch dazwischen, was besonders hart ist. Nichts zur Abkühlung, kein Schatten, nur Hitze. Sonne von oben, reflektierender Asphalt von unten, Lavagestein von rechts.

Wenn man bereits auf dem Hinweg auf dem Queen K geht, wird man meistens von joggenden Athleten überholt. Richtiges Laufen ist kaum noch zu sehen. Alles was fit ist, ist schon lange nach vorne weg oder kommt einem sogar schon entgegen. Ab und an trifft man auch mal aus der Szene bekannte (starke) Athleten, die gehen.

Eine der Aufgaben, die mich in der langen Zeit beschäftigt hat war: wie schütze ich mich vor einem Sonnenbrand. In Kona habe ich noch mal an einem Verpflegungspunkt Sonnencreme abbekommen. Die dicke Paste hatte ich allerdings nur auf der rechten Körperseite. Dichschichtig. Ich rieb teile der Sonnencreme mit der linken Hand ab und schmierte mir die Creme ins Gesicht und in den Nacken. Aber wie kriege ich den linken Arm eingecremt?

Energy Lab

Im TV hört man immer wieder, dass das Energy Lab der schlimmste Teil der Strecke ist und dass hier die absolute Einsamkeit tobt. Keine Begleiter, kein Medien, nichts darf hier rein. Um so mehr hat mich verwundert, als der erste Verpflegungpunkt scheinbar die Partywertung gewinnen wollte. Laute Musik, DJ, Moderator. Die ansässigen Unternehmen wollten hier etwas ganz besonderes aufbauen. Geschadet hat es jedenfalls nicht, auch wenn meine Vorstellung vom Energy Lab nun erst einmal etwas angekratzt war.

Nach dem Verpflegungspunkt gab es von ClifBar cooling scarfs. Nun ja, das sind schalartige Stofffetzen, die in Eiswasser lagen und einem gereicht wurden. Ich schnappte mir zwei. Einen als kühlenden Schal um den Hals (vor allem dem Nacken) und einen um ihn um den Kopf zu wickeln. Er sollte die Rübe kühlen und das Ende des Schals sollte dann Wüstenkrieger-like über den Nacken als Sonnenschutz hängen. Meine Mütze habe ich mir wieder aufgesetzt. Vollständig dachte ich… aber dem Bild nach hat das nicht ganz so geklappt. Aber das Kühlen hat ganz gut geklappt… für ca. 30 Sekunden, dann waren die Dinger auch nicht mehr kalt. Erst nass und warm, dann nur noch warm.

Nach dieser Stelle ging es etwas bergab, runter Richtung Ozean. Hohe Luftfeuchtigkeit sorgt hier für eine Portion Extra-Leid. Man biegt rechts ab und kommt zur Verpflegungsstelle mit den „Special Needs“ – also die Eigenverpflegung, die man vor dem Rennen abgiebt. Auf dem Hinweg steht am Streckenrand wieder ein Helfer mit Megafon und schreit deine Startnummer und fragt dich dann, ob du deinen Beutel willst. Ich nicke und versuche „Yes, please“ zu rufen. Nun sind die Helfer auf der anderen Seite gefragt, sie suchen den Beutel und händigen dir aus, wenn du auf dem Rückweg wieder an dem Punkt vorbeikommst. Die Stückchen daszwischen waren immer ein Wechsel aus Joggen und Gehen, ab und an auch mal so etwas wie Laufen. Dann kam der Red Bull Verpflegungspunkt und es echt überall auf der Welt das gleiche Bild. Die beiden Haupteinstellungskriterien für einen Posten bei einem RedBull-Stand sind: weiblich und gutaussehend. Alles andere scheint zweitrangig zu sein.  😉

Zum Energy Lab gibt es zwei Aussagen: einmal es entzieht einem jeglichen Energie oder es spendet neue. Der Name kommt aber woanders her. Nämlich von National Energy Labratory. Das ist eine Forschungseinrichtung. Hier wird über Energiegewinnung geforscht. Ich hatte jedenfalls einen energiespendenden Moment. Jörn hatte mir nach Hamburg eine Nachricht geschickt: „Du scheinst ja mit Hitze gut klarzukommen, dann erwarte ich ein Daylight Finish!“. Damals hatte ich geschmunzelt… Zwei Dinge waren mir aber damals nicht klar. Erstens, dass es auf Hawaii sehr früh dunkel wird und zweitens, dass ich so total im Eimer bin oder sein werde 😉 Kurz im Kopf gerechnet: Zeit pro Kilometer beim Gehen? wie lange bist du schon unterwegs? Wie spät müsste es also sein? Wie viel Strecke ist noch vor dir? Ui, dass könnte knapp werden. Gehen reicht nicht. Aber das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Also Laufen!

Ich habe mir also einen Plan für die nächsten Momente zurechtgelegt. Punkt 1: Bei den Special Needs anhalten und deinen Beutel mit der Trinkflasche holen. Punkt 2: Eine Ersatzflache loswerden. Ich hatte noch eine in der Rückentasche vom Anzug. Im Training ging das gut, hier drückte sie seit einigen Kilometern echt mies auf den Rücken. Es schmerzte bei jeder Bewegung. Punkt 3: auf dem Weg zur nächsten Verpflegungsstelle das Getränk in die original Flasche für den Halter an der Hand umfüllen. Die Ersatzflaschen rutschen nämlich raus und hier ewig mit Festhalten beschäftigt sein ist auch noch mal mies. Punkt 4: Flasche am Verpflegungspunkt loswerden. Punkt 5: joggen und nur in dern Verpflegungsstationen gehen.

Das klappte auch ca. 25 Meter, dann ging es vom Energy Lab hoch zum Highway, bzw. erst zu der Party- und CliffBar-Verpflegungsstelle. Dann links den Schlenker und dann auf den Highway. Der Weg hoch aus dem Energy Lab ist echt mies. Bergauf, null Wind, hohe Luftfeuchtigkeit und die Hitze steht hier einfach nur. Hier war eher mehr gehen als joggen angesagt. Mit einem dänischen Athleten, der ebenfalls ging, habe ich noch Witze über lange Tage gemacht. Leidensgenossen 😉

Back to Kona

Auf dem Highway ging dann die Gehen/Joggen-Strategie meistens auf. Häufiger musste ich zwar mal auch zwischen den Verpflegungsstellen gehen, aber es wurde besser. Es wäre sicherlich noch besser gegangen, wenn die Verpflegungsstellen nicht schon total ausgeräubert gewesen wäre. Die Becher mit den Eiswürfeln waren nur noch Becher mit warmen Wasser. Die Helfer waren auch schon am Ende ihrer Kräfte. Zum Teil standen keine Helfer mehr da. Schwämme waren weitestgehend leer. Die Motivation einzelner Helfer war auch nicht mehr auf dem Höhepunkt. In einem anderen Rennen, besser im Rennen liegend, hätte ich mich total aufgeregt. Aber die, bei den es um den Titel ging, die sind schon alle durch. Dabei darf man aber nicht die Athleten der hohen Alterklassen vergessen, für die es von Anfang an nur ums nackte Finish geht. Da steht nicht die Frage „Wie schnell?“ im Vordergrund, sondern „Schaffe ich es überhaupt in der Zeit?“. Für die wird es nun besonders hart.

Eine Feststellung: Auch warmes Wasser ist nass. Ein typisches Bild im Triathlon ist es, dass man sich ständig Flüssigkeiten über den Körper kippt. Vorzugsweise Wasser, aber Hauptsache kalt. Das ganze soll die Körperkerntemperatur senken bzw. vor dem Ansteigen bewahren. Denn diese limitiert (als Schutzmechanismus) die Leistung des Körpers. Denn mehr Leistung = mehr Wärme. Der Mensch ist fürcherlich ineffizient (Wirkungsgrad ca. 25%). Dadurch wird der Körper immer heißer und heißer und das wird irgendwann gefährlich. Man sagt, dass man beim Marathon des IRONMAN auf Hawaii fieberartige Zustände annimmt. Also ist das Kühlen eine Schlüsselkomponente. Auch wenn ich gelernt habe, dass das Kühlen beim Marathon schon beim Radfahren beginnt. Und zwar mehr als ich ahnte.

Nun gibt es aber das Problem, dass das Wasser in die Schuhe läuft. Das läuft sich erstens so mäßig angenehm und bei einem Marathon sorgt das irgendwann für massive Blasen. Man läuft den Marathon im IRONMAN eben deutlich langsamer als ein Läufer einen reinen Marathon laufen würde. Somit ist man sehr lange auf sehr aufgewichten Füßen unterwegs. Das gibt Blasen, Entzündungen oder sonstiges Ekelzeug. Also fängt man – wenn die Hitze es zulässt (z.B. Hamburg) – erst später mit dem Wasser an und macht das erst einmal in kleinen Portionen. Auf Hawaii ist das keine Option. Da verdammpft man sofort 😉  Gott sei Dank hat mir hier Secolino Deutschland unter die Arme gegriffen. Unter anderem mit Sohlen, die Feuchtigkeit absorbieren. Der Wettkampf auf Hawaii war nun der Härtetest dieser Dinger. Und ich muss sagen, es funktioniert! Die Füße haben bei jedem Schritt „platsch“ gemacht. Sie waren komplett nass. Ein anderer Athlet und ich haben uns auf dem Weg zurück nach Kona dadrüber ziemlich lustig gemacht. Platsch, platsch. Aber keine Blasen. Sehr geil!

Ansonsten ging das fröhliche Joggen-Gehen-Joggen-Gehen-Spiel munter weiter. Ab und an wollte ich gehen und sah dann aber jemanden aus der Lutschergruppe vom Radfahren. Den konnte ich nicht davon ziehen lassen! In anderen Momenten hat mir so etwas gefehlt und die Hürde „Nicht-Gehen!“ ist im Kopf gefallen. Ein Athlete wurde von seiner Freundin auf dem Bike begleitet. Eigentlich verboten, aber bei diesen Finishing-Zeiten interessiert das scheinbar keinen mehr. Ihr glaubt nicht, wie stark so etwas hilft. Es hält die Hürde zu gehen hoch. Aber mir hat es auch geholfen, ich wollte unbedingt ohne Hilfe an den beiden vorbei. Und habe es irgendwann auch geschafft. In diesen Momenten bin ich auch relativ flott gelaufen. Nicht so flott wie mein eigentlich Renntempo hätte sein sollen, aber flotter als alle anderen Zombies, die dort irgendwas mit Laufen probiert haben. Das ermuntert, genauso wie die „Good job“, „Awesome, come get it!“ und ähnlichen Push-Versuche der Athleten. Schön, dass man sich gegenseitig ins Ziel treibt.

Ein unschöner Anblick war eine Athletin, die abseits der Strecke zwischen Büschen und Lava lag. Fast KO. Scheint sich übergeben zu haben. Sie wurde allerdings schon betreut. Trotzdem schossen mir Gedanken durch den Kopf, ob ich nicht auch hin und fragen sollte, ob ich irgendwas tun kann… Hamburg 2017 ist auf der Radstrecke vor mir jemand gestürzt. Ich war der erste an Ort und stelle und habe natürlich angehalten und mich um ihn gekümmert bis die Helfer/Sanis eintrafen. Aber dem Fluchen nach, ging es dem Typen damals ganz gut 😉

Schlusssprint

Um so näher das Ziel kam, um so mehr glich meinem Schleppen über den Asphalt so etwas ähnlichem wie Laufen. Ich habe mich noch nie so über einen 5er Schnitt gefreut 😀 Zum Verständnis des Verhältnis: in Hamburg bin ich den Marathon mit ca. 4:21 min pro Kilometer gelaufen. Meine bummeligen Trainingsläufen waren, wenn ich platt war, eher so um die 4:35. Da lagen dann doch irgendwie Welten dazwischen. Ich blickte immer häufiger auf die Uhr: „Noch 3,5km, das ist der Weg vom See zurück, außenlang.“ und ähnliche Gedanken schossen mir durch den Kopf. Immer wieder verknüpfte ich die noch zu absolvierende Distanz mit bekannten und einfachen Teilstrecken zuhause. Das Gehirn wusste, dass der Körper in Sicherheit ist und gab die Reserven frei.

Ab diesem Zeitpunkt  (4,5km vor dem Ziel) bin ich nur noch gelaufen. Es kam mir vor wie fliegen. Lag wohl dadran, dass es erst einmal leicht abschüssig war. Doch dann ging es wieder bergan, hoch zur Kreuzung Queen K und Palani Rd. Aber ich bin nicht gegangen, sondern „gelaufen“.  Kurz vor der Spitze hatte „Hannes Hawaii Tours“ einen deutschen Fan Hotspot aufgebaut – mit ordentlich Mucke, Kameras und viel guter Laune. Auch wenn ich gelaufen bin, war es nicht wirklich schnell, so hatte ich Zeit das zu genießen und mein Späßchen damit zu machen und mit einem Grinsen und Tanz-Moves durch die Menge zu schlürfen. Ich muss dazu sagen, dass ich sicher nicht der begnadeste Tänzer bin (früher haben in der Disco Cocktails geholfen) und in der körperlichen Verfassung musste das sicher ziemlich lustig ausgesehen haben. Aber ich hatte meinen Spaß! (Falls jemand ein Video davon hat: her damit!)

Danach hieß es im Kopf „It’s all downhill up here“. Palani Road runter, Verpflegungspunkt mitnehmen, links auf den Kuakini Hwy einbiegen. Hier ist es zwar flach, aber hier standen Fabienne und Niklas und habe mich nach vorne geschrien. Das war echt ein Boost! Ich habe mich gefühlt, als ob ich mit Renntempo da langgedonnert wäre. Dabei war es echt nur lahmes Laufen. Aber ein geiles Gefühl. Auf dem Rest des geraden Teilstücks standen Zuschauer, die einen bejubelten, mit Namen anschrien, man hatte es geschafft. Die Ziellinien konnte ich riechen!

Vom Kuakini Hwy ging es rechts runter zum Farmers Market und Ali’i Drive. Auf dem Weg runter, lief ich auf zwei Athleten auf. Direkt untem am Ali’i Drive zogen beide das Tempo an, wollten es noch mal auf den letzten 500m wissen. Ich ging erst mit, so ein Fight ist ein geiles Gefühl, doch habe beide dann ziehen lassen. 500m sind dann doch länger als ich es in dem Zustand gebrauchen konnte und da es um nichts mehr ging (außer ums Finish), musste ich mich nun auch nicht extra beerdigen. Ich lief dann noch auf eine Dame aus England auf. Solche Situationen hat man ja öfter mal im Kopf durchgespielt. Was tut man? Kurz vor dem Finish noch mal vorbei sprinten? Geht es um jede Sekunde? Irgendwie asi. Gentlemen like den Vortritt lassen und ein paar Sekunden mehr kassieren?

Finish Line

Für mich war die Antwort ziemlich klar: Gentlemen for the win! Es geht um nichts und mit der Geste gewinnt man mehr als man an Sekunden verliert. Und dann wurde sie mir sogar noch abgenommen, die Dame schnappte sich einen Union Jack, zog das Tempo an und rannte ins Ziel. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich das überhaupt noch hätte parrieren können. Ich war nun mehr als froh, dass ich das Ziel erreicht habe. Schaffte es noch, dass ich die Arme zum Jubeln hochgerissen bekomme, nur damit ich danach zusammensacke und erlöst war.

Von den hochgerissenen Armen gibt es leider nicht viel zu sehen. Da in diesem Moment die erwähnte Damen mit ihrer Flage die Kamera verdeckte. 😀 Aber das Zusammensacken danach war perfekt eingefangen. Ich liebe dieses Bild irgendwie. Es drückt so viel aus. Vorne weg die totale Erschöpfung, die Erlösung, die Enttäuschung. Hawaii ist eine Bühne, auf der man sich allen zeigen kann. Das ist mir nicht so geglückt, allerdings bin ich mehr als stolz auf dieses Finish. Die Vorzeichen waren mies. In den letzten Wochen vor dem Rennen merkte ich, wie lang die Saison doch war – über 13 Monate, ohne Pause – und wie die Motivation schwand. Die Anreise nach Hawaii war nervenraubend. Mein Magen hatte nur Probleme. Das Training vor Ort war ein Wechselbad der Gefühle und der Leistung. All das war nun vorbei. Die Finishline ist mehr als nur die Erlösung von den Qualen im Wettkampf. Sie markiert auch das Ende der Saison, der Körper und der Geist darf sich nun wieder erfrischen. Trotz dieser Vorzeichen habe ich es irgendwie noch ins Ziel geschafft. Ich bin stolz! Ich habe unterwegs nie ans Aufgeben gedacht. Ich bin noch mehr stolz! Ich blickte in die Zuschauermenge. Jeder der es geschafft wurde, wird bejubelt wie ein Held. Ich realisiere: ich stehe hier in Kona. Hinter dem Zielbogen der IRONMAN Weltmeisterschaft. Bei einem der härteste Triathlons der Welt und ich habe es geschafft. Viele versuchen sich hierfür zu qualifizieren. Mir wird der Wert des Finishs bewusst. Ich genieße Stütze mich ab. Genieße es.

Allerdings nur kurz. Denn man wird relativ zügig von Helfern in Empfang genommen. Die wollen zum einen natürlich feststellen, ob man ärztliche Hilfe benötigt, dass man direkt Flüssigkeiten und Elektrolyte bekommt und das man vom knappen Platz hinter der Finishline wegkommt und es sich hier nicht staut. Die Helfer erzählen dann gern und fragen viel nach. Eine gute Methode um zu prüfen, wie gut der Athlet noch da ist. Wenn man seinen Namen nicht mehr weiß, wird man bestimmt direkt zum Sani abtransportiert. Eine Helferin erzählte noch über einen Heiratsantrag von „so einem Typen“ nach dem Zieleinlauf. Ich dachte nur: „Oh, Gott… wie klischeemäßig“ und antworte „Not my style!“. Wir beide lachten, sie war auch der Meinung, dass dies hätte peinlich werden können. Es konnte ja keiner Ahnen, dass es sich dabei um den Weltmeister Patrick Lange handelte 😉

Und dann?

Wie es mit mir nach dem Finish weiterging erzähle ich ein anderes Mal. Der Text zum Marathon ist ein Lese-Marathon geworden. Respekt für jedes Finish des Texts! Schreibt mal unten in die Kommentare, wenn ihr es bis zum Ende geschafft habt. Also bis dann und erholt euch von dem vielen Lesen. (Und erholt euch von wahrscheinlich vielen Rechtschreibfehlern, ich habe diesen Monstertext nicht noch einmal Korrektur gelesen)

5 Kommentare zu „Hawaii: Mein Rennen – Part 4 – Der Marathon

  1. Also ich hab den Text gefinisht und beim mitleiden und mitfreuen leicht feuchte Augen bekommen. Vielen Dank für den Einblick in dein Seelenleben. Da hast du etwas ganz besonderes geschafft!!!

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