Nach dem es in Teil 1 quasi nur um die Rennvorbereitung ging, geht es ab nun um die Teile mit der Action. Beginnend mit dem Schwimmen. Auch wenn es von außen meist nicht so aussieht, geht es hier am meisten zur Sache.

Die Schwimmstrecke

 

Die Schwimmstrecke beim IRONMAN Hawaii ist auf dem Papier eigentlich ganz einfach: gerade Rausschwimmen, um zwei Wendebojen und ein Boot drumherumg, gerade zurück. Bojen immer auf der rechten Seite. Dazu kommt dann Salzwasser, ein leichter Wellengang (der eigentlich eher die Sicht nach Vorne beschränkt) und eine aufgehende Sonne. Der Schwimmstart erfolgt als Massenstart im Wasser.

Meine Erwartungshaltung

Was habe ich mir für das Schwimmen vorgenommen? Nun ja, erst einmal heile durchkommen. Massenstarts sind ja mittlerweile aus der Mode und es wird häufig als Rolling Start einer nach dem anderen gestartet. Auf Hawaii gibt es immer noch den Massenstart, bei dem alle Athleten (erst alle Profimänner, dann alle Profifrauen, gefolgt von allen Amateuermänner und abschließend die Amateurfrauen) gleichzeitig starten. Ich hatte keine Ahnung wie ich damit zurecht komme. Einen Vorgeschmack habe ich beim Ho’ala Testschwimmen eine Woche zuvor bekommen. Ein wildes Gekloppe!  Die nächste Unbekannte ist das Freiwasserschwimmen mit Wellengang, Salzwasser und alles ohne Neo. Mit Salzwasser komme ich eigentlich gut zurecht. Mit dem Wellengang habe ich die Tage vorher eine Freundschaft geschlossen. Das machte mir mittlerweile extrem Spaß. Vor allem wenn man kontrollieren kann, wie man durch die Welle kommt und das Wasser fühlt. Die Zeiten bei den Trainingsschwimmen wurden auch von Tag zu Tag besser!

Also was war meine Ewartungshaltung: Das Gekloppe überleben, freischwimmen und dann im eigenen Tempo schwimmen und den Ozean genießen. Mit einem Pace von 1:44min/100m wäre ich schon zufrieden. Hat das geklappt? 😉

Der Start

Das Schwimmen auf Hawaii erfolgt per Wasserstart. Das heißt, die Athleten werden über die Dig Me Beach in das Wasser gelassen und man plantscht ca. 200m in die Bucht.

Die Startlinie ist imaginär und wird durch Surfer bzw. deren Boards gebildet. Vom Land aus wird kontrolliert, dass die Linie eingehalten wird. Je nach Schwimmtempo kämpft man sich beim Start eher weiter nach vorne oder – wenn man etwas langsamer ist – nach hinten. Wo sortiere ich mich ein? Für ganz vorne bin ich definitiv zu langsam. Da wird man direkt von hinten überschwommen. Für ganz hinten bin ich zu schnell. In der Mitte ist es verdammt voll und wenn dann wer langsamer ist, ist man gefangen.

Da paddeln wir nun im Wasser. Aufrecht. Eng beieinander. Wenn man jetzt einmal darüber nachdenkt, dass es aufrecht schon Körper an Körper hergeht, was passiert dann, wenn der Startschuss geht und man im Wasser liegt? Platz gibt es ja schon jetzt nicht. PENG! Das Vollkontakt-Ringen geht los.

Der Weg aus der Bucht

In meiner Vorstellung muss man nur die ersten 500m in der Masse überleben und danach entzerrt sich das Feld und man kann einigermaßen frei schwimmen. In der Realität blieb das Feld bis ca. 50-100m vor der Wendeboje absolut eng beieinander. Im Prinzip war es die ganze Strecke ein Scharmützel. Vor mir langsamer als ich, links und rechts neben mir das gleiche Tempo und von hinten kamen schnellere. Das merkt man ganz gut dadurch, das die Schläge statt nur auf die Füße eher Richtung Beine, Hintern und unterer Rücken gehen… oder man einfach komplett untergetaucht und überschwommen wird. Ich bin zwar definitiv nicht der schnellste Schwimmer, aber wenn ich mich körperlich durchsetzen könnte, dann könnte ich hier noch ein Stück schneller schwimmen. Doch zu groß ist der Respekt sich bei einem hohen Tempo ein paar kritische Schläge einzufangen und dann keine Luft zu kriegen oder einen Panikanfall zu erleiden. Andersherum macht Wasserschatten auch schnell!

Richtig ärgerlich war auch folgende Situation: eigentlich ist der Kurs recht easy zu lesen – die Bojen immer rechts! Auf dem Weg raus sind die Bojen grün und auf dem Rückweg gelb. Und so steuerte unsere Gruppe die Strecke immer knapp links von den Bojen an. Immer wieder versperrten die leichten Wellen die Sicht auf die Boje. Aber irgendeinen Bojenzipfel hatte man als Ziel im Auge. Als die Boje dan näher und größer wurde merkte ich: Fuck, das ist ’ne gelbe! – wir müssen weiter nach links. Und da ich keine Lust auf cheaten habe und keine der Bojen des Kurses auslassen will (was auch zur Disqualifikation führen kann) schlug ich eine Kurskorrektur nach links an. Die Gruppe hat da aber nicht mitspielen wollen und zog weiter nach rechts und wenn man dann nach links will, dann bedeutet das Schläge. Da half leider nur eins: langsamer werden und eher nach hinten und links aus der Gruppe fallen… der einzige Weg die Boje zu erreichen.

Kurz vor der Wendemarke und dem Boot hat sich das Feld dann tatsächlich entzerrt. Aber nur um bei der Wendeboje sich wieder schön zusammenzuziehen. Bei der Wende habe ich dann einmal auf die Uhr geguckt. Knapp 1.900m in 31 Minuten. Das wäre schneller als 1:40min auf 100m. Ich habe innerlich gegrinst.

 

Der Rückweg

Auf dem Rückweg schwamm das Feld wieder sehr kompakt zusammen. Bei der Wende habe ich leider einen etwas zu großen Bogen genommen. Anschließend war ich wieder in einer Gruppe gefangen. Ich habe dann zugesehen, dass ich hinter den schnellsten Beinen des Feldes, die es aber auch schaffen durch die Menge sich durchzusetzen, zu bleiben. Wenn derjenige eine Lücke erkämpft, dann husche ich halt mit durch.

Der Rückweg war dann doch super langsam. Das lag jetzt nicht an einer Strömung, sondern weil ich irgendwie echt nicht voran kam. Das Tempo zum Hinweg ist um fast 20 Sekunden pro 100m gefallen. Das sind Welten! Der Puls ist auch deutlich gesunken. Daran sieht man, dass ich deutlich weniger gearbeitet habe. Der Maximalpuls des Rückwegs war der Durchschnittspuls des Hinwegs 😉

Als ich dann den Pier und im Auge hatte, habe ich noch einmal auf die Uhr geschaut. Knapp über eine Stunde und es ist noch ein bisschen Strecke. Mir war klar, dass ich meine Zielzeit nicht erreichen werde. Dachte mir aber, dass es knapp wird und hab mir noch mal ein paar schnellere Beine gesucht. Kurz vor dem Ausstieg der nächste Blick auf die Uhr: Nein, du bist relativ weit von deiner Zielzeit weg.b Ich gebe mir meistens drei Zeiten mit: Die erst wäre die Zeit für die Bestleistung, die zweite eine etwas konservative aber solide Zeit und dritte die für den Notfall. Langsamer als erwartet, aber für eine gute Gesamtzeit noch absolut im Rahmen. Die erste Zeit hatte ich mir auf 1:07:00 und die zweite auf 1:10:00 gelegt. Zeit Nummer drei lag bei 1:15:00. Aus dem Wasser kam ich mit 1:13:xx. Nicht besonders geil, aber es war noch alles machbar.

 

Der Wechsel zum Radfahren

Beim Wechsel nach dem Schwimmen fange ich gern das Bummeln an. Der Wechsel von der horizontalen Lage zurück in das Aufrechte ist für den Körper nicht ganz so einfach. Mein Puls ging auch direkt um 30 Schläge pro Minute nach oben. Aber Attacke konnte man hier eh nicht machen. Es war einfach viel zu voll. Den Schwimmanzug konnte ich ganz gemütlich aufmachen. Das Ausziehen des Anzugs ist auch erst im Wechselzelt erlaubt. Selbst wenn man den Rest seiner Rennbekleidung drunter hat. Bis zur Hüfte runter ist erlaubt. Meinen Rennanzug hatte ich eingerollt unter dem Schwimmanzug. Sprich, ich hatte ihn als Hose bereits an und nur das Oberteil zusammengerollt auf Hüfthöhe. Die Idee dahinter ist, dass man die Arme zum Schwimmen frei hat und man beim Wechsel nur noch das Oberteil hochziehen, in die Ärmel schlüpfen und den Reißverschluss zumachen muss. Aber da ich bisher bei jedem IRONMAN nach dem Schwimmen pinkeln musste, habe ich damit noch gewartet 😉

Das Wechselzelt war ebenfalls total voll. Ein Stehplatz an der Dixi-Pinkel-Rinne war frei. Geschäft erledigt. Auf dem Weg ins Zelt haben die Helfer einen den Weg zu seinem Beutel gezeigt. In Europa muss man alles allein finden. Hier hat man Unterstützung. In dem Beutel ist die Radkleidung, die man dann herausnimmt und man packt seine Schwimmkleidung dann in den Beutel und gibt diese so ab. Da ich meine Radschuhe bereits in den Pedalen eingeklickt hatte, der Helm am Rad hing und ich dank Visier am Helm keine Sonnenbrille brauch, war der Radbeutel leer. Rein kam die Schwimmbrille, Badekappe und der Schwimmanzug. Auf dem Weg aus dem Wechselzelt habe ich noch an der Station mit Sonnencreme angehalten und habe ich mich einmal komplett einschmieren lassen. Die Schwimmzeit war für die Sonnencreme zu lang, auf den Armen durfte man wegen des Tattoos keine Sonnencreme tragen und das Radfahren dauert lange. Also lieber hier ein paar Sekunden investieren als nachträglich in der Sonne zu verbrennen.

Mit dem Beutel in der Hand bin ich aus dem Zelt gestürmt. Aber wo ist der Drop Off? In Europa muss man seinen Beutel in eine Drop Off Zone werfen. Meist ein kleiner Container. Hier finde ich aber keinen. Blick zurück – wo ist das? Da kam mir auch schon ein Helfer entgegen. Hier gibt es keine Drop Off Zones. Helfer müssen dir deinen Beutel abnehmen und sie bringen ihn dann direkt wieder an seinen Platz. Der erste Hawaii-Start ist eben zum Lernen. 😉 Rad geschnappt und ab auf die Radstrecke.

 

Die Fakten

Auf Hawaii zählt das Schwimmen doppelt!

  • Schneller Schwimmen = weniger in langsameren Gruppen
  • Hartes Anschwimmen und körperliches Durchsetzen is key
  • Kursnavigation in Gekloppe und Wellengang ist wichtig
  • Eine schnellere Schwimmzeit schlägt auf die anderen Disziplinen und den ersten Wechsel positiv durch
  • Weniger Behinderungen im Wechselzelt
  • Man kann auf der Radstrecke sein Tempo fahren (Erläuterung dazu im nächsten Teil)

Was benötigt man hier, um vorne mit dabei zusein? Ich denke, dass man mit einem Langdistanzschwimmtempo von ca. 1:30min pro 100m hier ganz gut zurecht kommt. Was beudet das für mich? Es gibt viel zu tun. Das erste Teilstück bin ich mit 1:40 geschwommen, das zweite mit 2:00.  Selbst mit einer Schwimmzeit von 1:07:00 wäre ich wahrscheinlich nicht weit genug vorne gewesen um sauber durch die Wechselzone und komfortabel über die Radstrecke zukommen. Ich habe nun richtig Lust gezielt am Schwimmen zu arbeiten. Jetzt hat man so richtig viel Zeit an allen kleinen technischen Details und am Krafttraining dafür zu arbeiten. Kein Plan der einem sagt: hmm heute müsstest du aber eine lange Einheit schwimmen und dann noch fit genug für das Schwimmen morgen sein. The time for Experimente und Grundlagen is now 😉

 

3 Kommentare zu „Hawaii: Mein Rennen 2018 – Part 2 – Das Schwimmen

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